Von den fünf sozialen Kraftquellen ist die letzte, unsere nationale Identität, vielleicht die komplexeste. Also, warum nicht gleich damit beginnen?
Holländische Resilienz
Meine Frau Sylvia und ich sind unser ganzes Leben lang schon Brückenbauer und genießen es, mit Menschen aus allen möglichen Nationen zusammenzuarbeiten und Teams zu bilden. Mit 19 Jahren bin ich nach Deutschland gezogen, um zu lernen, mit einem ganz anderen "Stamm" zusammenzuarbeiten: mit den Deutschen. Und das, obwohl mein Vater im Konzentrationslager Vught gewesen ist und meine Mutter den Hungerwinter von 1944/45 fast nicht überlebt hätte. Kurzum, meine Eltern haben mich nicht besonders „deutschfreundlich“ erzogen. Und doch habe ich in Deutschland, wo ich schließlich 22 Jahre lang gelebt und gearbeitet habe, sehr viel gelernt. Interessanterweise gelang mir dies gerade deswegen so gut, weil ich so tief in meiner niederländischen Identität verwurzelt bin.
Meine Vorfahren lebten seit 1200 als Familie Beers in den Niederlanden. Ab 1600 begann ein Zweig, sich “Donders” zu nennen. Die Legende besagt, dass Familie Beers sieben sehr große Söhne hatte („Donnerkerle“). Seitdem ist unsere Familie durch und durch niederländisch und ganz in Brabant beheimatet. Dankbar bin ich vor allem dafür, dass ich genau das bin, was ich bin: ein Niederländer. Und damit bin ich nicht besser oder schlechter als alle anderen 300 Nationalitäten und 2000 Stämme. Vielleicht sehe ich gerade wegen meiner intensiven Auslandstätigkeit die tausende Vorteile meines Landes besser als viele meiner Landsleute, die unser Land nur von innen heraus, nach eigenen Maßstäben beurteilen. Ein Beispiel, als Niederländer stolz zu sein, ist, dass die Niederlande schon jahrelang als Nummer 1 auf der UNICEF-Weltrangliste der kinderfreundlichsten Länder stehen. Und wer gut mit den Kleinsten umgeht, der bürgt auch für einen sicheren Ort für die Größeren!
1. Geheimnis: Wer seine eigene nationale Identität kennt, akzeptiert, respektiert, wertschätzt und umarmt, hat ein gesundes Selbstbild und kann als vollwertiger Partner mit Menschen aus anderen Nationalitäten umgehen.
2. Geheimnis: Wer sein eigenes Land und dessen Identität nicht wertschätzt, hat keine natürliche Autorität, dort aufzustehen und Richtung zu geben.
3. Geheimnis: Wer keine Vision und Wertschätzung für sein eigenes Land hat, hat keine Hoffnung, und damit auch nicht die Sprungkraft, die er/sie haben könnte, wenn er/sie tief in der Identität seines Landes verwurzelt wäre.
Menschen, die Brückenbauer sind (wie wir das 22 Jahre lang in Deutschland waren) haben eine doppelte Chance: tiefere Wurzeln in der eigenen Kultur zu schlagen und gleichzeitig ein stückweit in der neuen Kultur Fuß zu fassen. Unser Leben ist dadurch reicher geworden.
Und wie sieht das bei Ihnen aus?
Was schätzen Sie an Ihrer eigenen Kultur und an Ihrem Land? Worüber sind sie froh? Könnte hinter einer "Schattenseite der eigenen Kultur", die Sie möglicherweise ablehnen, nicht auch eine starke Eigenschaft Ihres Landes stehen?
Ich habe im Lauf der Jahre gelernt, immer die “positiv-entdeckende Brille” aufzusetzen, wenn ich über meine eigene Kultur nachdenke und mir andere Kulturen anschaue. Denn es kostet mich viel Energie, wenn ich mein Herkunftsland abweisend beurteile. Und diese Energie möchte ich lieber darin investieren, mein Leben zu leben, auch für die Menschen um mich herum.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Wiederentdecken der besonderen Stärken Ihrer kulturellen Wurzeln.
Paul Donders
PS: Im nächsten Beitrag kümmern wir uns um Freunde.
Sehr geehrter Herr Donders,
ich habe im Internet recherchiert und dachte, ich könnte vielleicht auf diesem Weg Kontakt zu Ihnen aufnehmen: von Ihrem Vortrag bei unserem Stiftungsfest der Geburtshülflichen Gesellschaft bin ich begeistert. Eine so einleuchtende und umfassende Darstellung! Ich möchte fragen, ob man Ihren Vortrag irgendwo nochmal nachlesen kann? Er enthielt so viele Anregungen, und leider konnte ich mir nicht alles merken.
Vielen Dank für Ihre Antwort und natürlich den tollen Vortrag!
Es grüßt Sie herzlich,
Katrin Scheuer